— Eine Rezension von Dr. Michael Aichmayr —
Lukas Hochholzer aus Stadl-Paura, derzeit Maturant am Realgymnasium der Benediktiner Lambach, hat sich schon mit vier Kriminalromanen einen Namen gemacht.
„Der Untergang von Florenz (Band I und II)“ aus den Jahren 2017 und 2019 mit „Der Untergang des Francesco Marchetti“ (2019) handeln in einem dreibändigen Romanzyklus von einem Privatdetektiv, der unschuldig in die von ihm aufzuklärenden Verbrechen hineingezogen wird und sich immer mehr in jene Fälle sowie in die urbane Topographie der mit beeindruckendem Lokalkolorit mit genauer Beobachtungsgabe entworfenen Handlungsorte in und um Florenz verstrickt. Auf dieser Basis verbinden sich die Handlung mit den labyrinthischen Verzweigungen von Mafia und dem Detektiv gestellten Fallen, deren Fäden es systematisch – und dennoch mit überraschendem Schluss – zu entwirren gilt.
Die mit der „italienischen Serie“ verbundenen topographischen Studien lösen sich im Ende 2019 erschienen Psychothriller „Der Stilllebenmörder“ in einer Allgemeingültigkeit beanspruchenden Dimensionen. Der Protagonist, ein von dunklen Mächten umfangener Mörder, wird im Laufe der Ereignisse mit gleich vier in die Ermittlungen involvierten Kommissaren konfrontiert, die selbst dem Geschehen ausgeliefert sind bzw. immer mehr in dieses hineingezogen werden. In facettenreicher, vielschichtiger Erzähltechnik gelingt es Lukas Hochholzer, synthetische und analytische Verfahrensweisen zu verbinden: Das Geschehen wird wie im klassischen Krimi sowohl von rückwärts aufgerollt als auch in synthetischem Handlungszusammenhang gemeinsam mit den Lesenden von Etappe zu Etappe erarbeitet.
Konnte man in den ersten, um Privatdetektiv Marchetti kreisenden Romanen, von einer labyrinthischen Erzählstruktur sprechen, so führt Hochholzer in „Der Stilllebenmörder“ die völlige Auflösung des Protagonisten vor Augen. Der Protagonist besteht nun aus einem sich immer komplexer erweisenden Puzzle, das in seiner Zusammensetzung auch von den mit dem Fall beauftragen Kommissaren geprägt ist: Die Perspektiven wechseln, verkehren sich und werden im steten Versuch, sie einem objektiven Blick auf das Geschehene hinzuordnen, wieder völlig auf den Kopf gestellt, wobei sogar einer der Kommissare, mit dem allgemeinem Namen Mayer, der sich aufgrund seines labilen Charakters selbst als Versager einstuft, sich sogar selbst als Mörder sieht, und auch von seinen Kollegen verdächtigt wird, wobei in der Charakterisierung der Protagonisten Ironie nicht fehlt: „Er erinnerte sich daran, dass er zuvor alle Briefe weggeworfen hatte, in Erwartung, es waren nur Rechnungen.“
Die Instanzen versagen, sowohl der tatsächliche Mörder (wobei zu fragen ist, von wem dieser zu seinen Taten beauftragt wird) als auch alle mit dem Fall Befassten scheitern an der Suche nach Orientierung: Sobald eine Bezugsinstanz gefunden zu sein scheint, versagt diese völlig. Als einzigem „Retter“ in diesem Fall wird auf Privatdetektiv Marchetti aus der Italien-Trilogie Hochholzers zurückgegriffen: Dieser hilft, aus Florenz beordert, die aus der Kontrolle geraten Ereignisse zu ihrem verdichteten Ende zu führen, wobei der Autor somit auch formal einen rahmengebenden Bogen zu seinen Erstlingskrimis schafft.
Der eigentliche Protagonist, Kowalski, dem es nicht gelingt, sich von seinen Dämonen zu lösen, ersehnt letztlich seine Erlösung in einem für ihn unerreichbaren Licht. Ohne Kontrolle über sich selbst, wie von einem Strudel fortgerissen, vereinen sich seine Taten zu einem Sog, der ihn in die Tiefe reißt, jedoch in der Hoffnung, sich aus einem immer komplexer werdenden Mosaik zu lösen und wieder auftauchen zu können. Ein Vergleich mit Edgar Allan Poes „Malström“ scheint zulässig: In einem unausweichlichen Trichter gefangen lässt sich Kowalski hinabtreiben, wird aber nicht müde, wieder das Licht zu suchen.